Voice Commerce und die große Sprachlosigkeit im Onlinehandel.

Mein Kommentar zur “Digital Business” Masterarbeit “Sprachassistenten als E-Commerce-Instrument in Österreich – eine Handlungsempfehlung”.

Es gibt Technologien, die kommen mit einem Knall. Und es gibt Technologien, die schleichen sich durch die Hintertür in unsere Wohnzimmer – und hören einfach zu. Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder der Google Assistant gehören zur zweiten Sorte. Sie sind da. Sie funktionieren. Sie sind leise – zu leise, wenn es nach dem österreichischen E-Commerce geht.

Denn obwohl Millionen Österreicher:innen längst „OK Google“ sagen, ist Voice Commerce hierzulande noch immer so präsent wie ein Faxgerät in der Blockchain. Dabei ist die Idee doch verheißungsvoll: Bestellung per Stimme, 24/7, ohne Bildschirm, ohne App, ohne Gedöns.

Und doch bleibt die große Frage: Warum spricht eigentlich niemand mit dem digitalen Shop?

Wenn der Lautsprecher mehr versteht als der Handel

Die Grundlagen sind da: Sprachassistenten können heute alles vom Wetterbericht bis zum Rücksendeetikett. Sie sind smart, sie sind lernfähig, sie verstehen Dialekt – zumindest manchmal. Der Handel könnte diese Infrastruktur nutzen, um Kundenerlebnis auf das nächste Level zu heben: personalisierte Beratung per Stimme, Bestellprozesse auf Zuruf, Lieferverfolgung per Flüsterton. Und trotzdem: Fehlanzeige. Die meisten österreichischen Händler stecken ihre Budgets lieber in SEO und Instagram-Reels als in eine „Voice App“.

Dabei zeigen Studien klar: Die Technologie ist nicht das Problem – das Vertrauen ist es. Datenschutz ist das neue UX. Nutzer:innen wollen wissen, wer mithört, wo gespeichert wird, wie lange, warum – und was Amazon eigentlich mit der Info macht, dass ich zum dritten Mal Käse bestellt habe.

Voice Commerce – Convenience trifft Kontrollverlust

Der Komfort von Voice Commerce ist gleichzeitig sein größter Gegner: Ein System, das per Zuruf Produkte bestellt, muss alles wissen. Adresse, Kontodaten, Produktpräferenzen. Und es muss sie verstehen – sprachlich wie semantisch. Das macht die Sache technisch komplex und datenschutzpolitisch heikel.

Denn anders als beim klassischen Online-Klick ist beim Voice-Kauf die „User Journey“ eine Blackbox: Keine sichtbaren Buttons, keine Bestellübersicht, kein roter Einkaufswagen oben rechts. Vertrauen ist hier nicht nur ein Faktor – es ist die Währung.

Die Zukunft spricht – mit KI, aber ohne Smalltalk

2025 reden wir über etwas anderes als nur „Voice“. Die Sprachassistenten von heute sind keine Befehlsempfänger mehr, sondern lernende Systeme. GPT-5 & Co. machen Smalltalk auf Bestseller-Niveau. Conversational AI schreibt Produktbeschreibungen, löst Retourenanfragen, berät in ganzen Dialogen – personalisiert, kontextsensitiv, und zunehmend überzeugender als mancher Kundendienstmitarbeiter nach drei Kaffees.

Und trotzdem: Gekauft wird in Österreich noch immer lieber per Klick als per Kommando. Der Grund? Fehlende Use Cases. Fehlendes Bewusstsein. Und fehlende Investitionen in wirklich nutzerzentriertes Voice UX.

Was tun?

  1. Den Sprachassistenten nicht als Gadget, sondern als Vertriebskanal denken. Voice ist kein Bonusfeature. Es ist ein zusätzlicher Customer Touchpoint – mit gewaltigem Potenzial.

  2. Vertrauen ist keine Einstellung, sondern eine Infrastruktur. Ohne Transparenz über Datenverarbeitung, Voice-Match-Technologien und Sicherheitslogik wird keine Voice-Commerce-Offensive zünden.

  3. Komplexe Produkte brauchen Screens. Wer eine Waschmaschine verkauft, sollte auch Display-Integration mitdenken. Aber für Pizza, Tickets oder Zahnpasta gilt: Alexa regelt.

  4. Emotion schlägt Information. Ein freundlicher, personalisierter Assistent verkauft mehr als ein robotischer. Dialekte, Humor, Ironie – das ist nicht nett, das ist Conversion-Strategie.

  5. Und bitte, bitte: Die Texte für Voice-Anwendungen nicht von denselben Leuten schreiben lassen, die Newsletter-Disclaimer verfassen.

Fazit: Wer mit der Zukunft sprechen will, muss ihr auch zuhören

Voice Commerce ist kein Hype – er ist ein Versprechen. An eine bequemere, schnellere, intuitivere Art zu shoppen. Aber dafür braucht es eine neue Denke: nicht mehr „Wie bringe ich mein Produkt in den Sprachassistenten?“, sondern „Wie mache ich die Stimme zum Teil meiner Marke?“

Credits

Digital Business Masterarbeit “Sprachassistenten als E-Commerce-Instrument in Österreich – eine Handlungsempfehlung” (Download)

Fachhochschule: Technikum Wien

Autor: Monika Bauer

Begutachter*in: Sedat Büyükdemirci

Datum: 20.9.2020

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