Kunst oder Content? Warum der Algorithmus nicht kuratiert.

Mein Kommentar zur “Digital Business” Masterarbeit “Visual Storytelling in sozialen Medien als Vertriebsstrategie für den Kunstmarkt”.

Der Kunstmarkt gilt als das letzte Bollwerk des Analogen. Ein mythischer Ort, an dem der Preis durch Aura bestimmt wird und nicht durch Klickzahlen. Doch dann kam das Internet – und kurz danach Instagram. Und mit einem Mal stellt sich die Frage: Muss man heute noch eine Galerie haben – oder reicht ein Story-Highlight?

Visual Storytelling lautet das Zauberwort. Und es verspricht nichts Geringeres, als Kunst dort zu verkaufen, wo früher nur Filterkaffee und Katzenvideos herrschten: auf Social Media.

Der Künstler als Marke, das Werk als Content

Die Grundidee ist einfach: Ein Kunstwerk wird nicht über seine bloße Existenz verkauft, sondern über seine Geschichte. Die Story dahinter – ob existentialistisch, biografisch oder einfach nur dramatisch inszeniert – wird zur Währung im scrollenden Kapitalismus.

Plötzlich ist nicht mehr das Gemälde im Fokus, sondern das Making-of, die Emotionen des Künstlers, die Studio-Ästhetik, das „Warum“. Ein Bild bekommt nicht mehr durch einen Kurator Bedeutung – sondern durch den Algorithmus. Die Folge: Die Grenze zwischen Werk und Werbung verschwimmt. Kunst wird zum Content – und Content zur Kunstbehauptung.

Die Galerie heißt jetzt Instagram

Online-Galerien wie „Artistery’s“ probieren genau das: Visual Storytelling in kurzen Videos, emotional aufgeladen, crossmedial verbreitet. Das klingt modern, disruptiv – aber die Realität zeigt: Reichweite allein ist kein Umsatz. Über eine Million erreichte Nutzer:innen, aber kaum Traffic auf dem Webshop. Die Likes sind da, aber die Käufer bleiben weg.

Der Grund? Vertrauen. Und Kontext. Kunst ist kein T-Shirt. Niemand klickt „in den Warenkorb“, wenn der Preis vierstellig ist und die Signatur mit Kugelschreiber wirkt. Sammler wollen Aura – nicht Algorithmus.

Und genau hier liegt die Krux: Die sozialen Medien sind gebaut für Reichweite, nicht für Wert.

KI schreibt die Künstlerbiografie

2025 bringen neue Werkzeuge neue Regeln. Künstliche Intelligenz kann inzwischen Kunstwerke beschreiben, Künstler:innen inszenieren, personalisierte Videos im Stil von „MTV Cribs für Maler“ produzieren. Doch KI bringt nicht nur Effizienz – sie bringt auch Konkurrenz. Wenn ein Bot überzeugender über deine Kunst schreibt als du selbst, wer ist dann eigentlich der/die Künstler:in?

Gleichzeitig eröffnen sich neue Möglichkeiten: AI-generierte Visual Storytelling-Formate, automatisch kuratierte Online-Galerien, Smart Contracts für NFT-Kunst mit eingebautem Lizenzmanagement. Doch der Sprung von digital zu „wertvoll“ bleibt schwierig. Denn digitale Sichtbarkeit ist noch kein kulturelles Kapital.

Fazit: Der Algorithmus liebt keine Kunst – er liebt Aufmerksamkeit

Die Idee, Kunst über Storytelling in sozialen Medien zu verkaufen, ist nicht falsch – sie ist richtig, aber unvollständig. Ohne kulturellen Kontext, ohne Glaubwürdigkeit, ohne reale Einbettung bleibt sie eine Art Netflix-Trailer ohne Serie. Ein Teaser ohne Tiefe.

Credits

Digital Business Masterarbeit “Visual Storytelling in sozialen Medien als Vertriebsstrategie für den Kunstmarkt” (Download)

Fachhochschule: Technikum Wien

Autor: Christof Braunegg

Begutachter*in: Sedat Büyükdemirci

Datum: 21.9.2020

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